Bild von Dr. Gerhard Kempter

INTERVIEW MIT DR. GERHARD KEMPTER,
VORSITZENDER DER THEATERFREUNDE FREIBURG E.V.

Herr Dr. Kempter, Sie sind der Vorsitzende der TheaterFreunde des Theater Freiburg, ein Verein mit derzeit über 1300 Mitgliedern. Wie ist der Verein gestartet, was sind seine Ziele und was macht ihn so erfolgreich?

Die TheaterFreunde wurden vor 35 Jahren gegründet. In diesen über drei Jahrzehnten hat sich eine sehr lebendige Freundschaft zwischen Theater und TheaterFreunden entwickelt. In den ersten Jahren war das noch ein überschaubarer Kreis von Mitgliedern, die günstig Hauptproben und Generalproben besuchten. Vor gut zwanzig Jahren wurde Dorit Keul in einer turbulenten Mitgliederversammlung zur Vorsitzenden gewählt. Zu dieser Zeit hatte der Verein etwa 300 Mitglieder. Ich war in der neuen Mannschaft, die aus dem Verein mehr machen wollte und unter der engagierten Führung von Dorit fing ein neues Kapitel an: Der Verein wurde im Grunde von einer Einbahnstraße eine Zweibahnstraße gewandelt, wenn Sie wollen eine Brücke, das heißt die Freunde bekommen etwas vom Theater, engagieren sich aber auch für das Theater. Echte TheaterFreunde also.

Wie sieht diese Freundschaft denn konkret aus?

Wir unterstützen mit finanziellen Mitteln. Namentlich ist hier die Excellence Initiative von Herrn Thies Knauf und Fabrice Bollon zu nennen, die später dazugekommen ist und nennenswerte Gelder zur Verfügung stellt. Aber auch für das Theater, wenn es mal nicht so gut läuft, sind die TheaterFreunde mit Rat und auch mit kritischem Feedback da, was ja auch die Aufgabe eines Freundes ist! Ein Freund ist ja dann besonders wichtig, wenn er sagt: „Du, ich muss dich mal zur Seite nehmen, ich glaub, da war was nicht so wahnsinnig optimal“.

Die TheaterFreunde setzen sich für das Theater ein und umgekehrt gibt uns das Theater die Möglichkeit, ganz nah dran zu sein. Das heißt hinter die Kulissen zu schauen, das heißt General- und Hauproben zu besuchen, das heißt beim Theatertreff dabei zu sein, den wir ja auch anbieten und damit versuchen, einer wachsenden Zahl von Interessierten das Theater näher zu bringen.

Also, eigentlich eine schöne Zweibahnstraße.

Ja, das stimmt. Aber ein weiteres wichtiges Ziel der TheaterFreunde ist es, das Theater stärker in die Bürgerschaft einzubringen und mit ihr zu verknüpfen. Das geht eben mit 300 Mitgliedern einigermaßen, aber mit über 1300 Mitgliedern sehr viel besser. In den ersten Jahren haben wir mit der Hilfe von Amelie Niermeyer verschiedene Fördermodelle - Freunde, Förderer, Donatoren - und später Excellence Donatoren entwickelt, die den Mitgliedern, je nach Geldbeutel, die Möglichkeiten bietet, sich in unterschiedlichem Maße finanziell für das Theater zu engagieren. Damit ist das Theater auch durch die TheaterFreunde - heute einer der großen Vereine in unserer Stadt - mit der Gesellschaft verbunden. Das war immer das Ziel.

Wie ist denn die Alterspanne bei den TheaterFreunden?

Da haben wir uns viel Gedanken gemacht. Als ich Vorsitzender wurde, habe ich eine Initiative gestartet, durch die auch jüngere TheaterFreunde gewonnen werden sollten. Ergebnis der ernsthaften Prüfung war jedoch, dass es für uns TheaterFreunde wenig Erfolg versprechend ist, Mitglieder zwischen zwanzig und vierzig zu suchen, weil man in diesem Alter noch in der Ausbildung ist und andere Dinge im Kopf hat. Der typische TheaterFreund fängt an, wenn die Kinder in die Schule kommen und kein Babysitter mehr nötig ist, nach dem Motto: „Und jetzt können wir die nächsten Jahrzehnte auch mal ins Theater gehen“. Ich glaube, das ist die richtige Zielgruppe für uns. Das ist eine Herausforderung, wir haben eine hohe Altersstruktur und sehr viele Mitglieder, die ein relativ hohes Alter haben.

Vielleicht noch interessant: Wir haben kontinuierlich einen jährlichen Schwund von fast exakt 5% Mitglieder, praktisch ausschließlich alters- und umzugsbedingt. Das heißt, wenn sie tausend Mitglieder haben, wissen sie ziemlich genau, zum Jahresende haben sie 950. Wenn sie 50 Mitglieder neu gewonnen haben, dann wissen sie: Ich habe es stabil gehalten. Wenn sie aber wachsen wollen, dann müssen sie mindestens 51 oder besser 100 Mitglieder neu dazu gewinnen.

Wie erreichen Sie das denn?
Was sind die Mittel zur Mitgliedergewinnung, die besonders gut funktionieren?

Ich muss sagen, wir haben dies nur erreicht durch gute Zusammenarbeit mit und Unterstützung durch das Theater. Wir haben uns eine ganze Reihe von Maßnahmen überlegt, wie wir neue Mitglieder gewinnen wollen und einen höheren Geldbetrag in die Hand genommen, verschiedene Maßnahmen auszuprobieren. Es hat sich herausgestellt, dass wir am erfolgreichsten in der Akquisition sind, wenn wir vor den Vorstellungen im Theaterfoyer präsent sind, auf allen Plätzen entsprechende Aufnahmeanträge liegen und wir uns vor der Aufführung vorstellen und mit besonderen Prämien werben. Das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Wir machen das jetzt seit ein paar Jahren und sind auf über 1300 Mitglieder gewachsen. Ich glaube, man muss bundesweit sehr lange suchen, bis man einen Theaterverein findet, der eine vergleichbare Anzahl an Mitgliedern hat und der vergleichbare Mittel für das Theater zur Verfügung stellen konnte.

Was war denn ihre persönliche Motivation, sich überhaupt mit Theater zu beschäftigen?

Also ehrlich gesagt, ich verstehe wirklich nicht viel vom Theater, aber irgendwie liebe ich es. Mein Schlüsselerlebnis war vor etwa 50 Jahren. Mit meiner Mutter, die gerne in die Oper gegangen ist, habe ich hier in Freiburg in DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR als mein erstes Theaterstück gesehen. Da hat sich mir die Theaterwelt eröffnet. Durch mein ganzes Studium hindurch und wo immer ich war, im In- und Ausland bin immer ins Theater, Schwerpunkt Oper gegangen. Durch meine Frau bin ich auch zu wundervollen Ballettaufführungen gekommen. Als Manager und Unternehmer war ich immer durch berufliche Aufgaben gefordert und dadurch hatte ich nicht die Zeit, ein Theaterexperte zu werden. Es war für mich aber immer anregend, ins Theater zu gehen. Ja, ich lasse mich gerne anregen und ich lasse mich im Theater auch gern mal aufregen, wenn es sein muss.

Ich glaube, nein, ich bin überzeugt, dass das Theater nicht nur ein kultureller Luxus ist, den wir uns als Gesellschaft leisten. Das Theater muss das kulturelle Epizentrum einer Region sein. Meine Erwartung ist, dass das Theater der Treffpunkt ist, wo sich die Kulturinteressierten auch treffen. Ich glaube, das ist eine große und auch sehr schwere Aufgabe. Im Konzert von Schulen, Universitäten und Museen hat das Theater jedoch auch einen sehr wichtigen Bildungsauftrag. Gerade in unserer virtuellen YouTube-Welt, kann und sollte das Theater ein Ort der Reflexion und Unterhaltung mit „richtigen“ Menschen sein.

Was ist denn ihr persönliches Highlight, das die TheaterFreunde gefördert haben oder das durch den Einsatz der TheaterFreunde möglich geworden ist?

Wir haben in den letzten 20 Jahren sehr viel fördern können. Das ging von Belüftungs- und Betitelungsanlagen über viele andere greifbarere Dinge wie etwa teure Transportgehäuse für Kontrabässe bis zu finanziellen Zuwendungen für zahlreiche Produktionen. Besonders stolz bin ich jedoch auf eine Idee, die ich aus New York mitgebracht habe, nämlich dass wir das Stipendium der TheaterFreunde in die Wege geleitet haben. Wir TheaterFreunde haben damals gesagt, wir geben dem Theater Geld damit sie Künstler engagieren, die sonst nicht eingestellt hätten werden können. Nicole Chevalier war unsere erste Stipendiatin. Ich habe aufgehört zu zählen, aber es sind, glaube ich, mittlerweile 20 oder 25 junge Menschen, die ein Stipendium bekommen haben. Das ist eigentlich eine super Sache: Man macht nämlich damit etwas für das Theater und man hilft einem jungen Menschen. Denn wenn da „Stipendium oder Stipendiat der TheaterFreunde“ steht, macht sich das auf dem Lebenslauf ja auch gut. Es gibt auch Bewerbungen dafür und die jungen Künstler müssen sich vorher durchsetzen. Die TheaterFreunde profitieren auch davon. Ich glaube, das ist eine Initiative, auf die wir wirklich sehr stolz sein können.

Das geschieht in Kooperation mit der Musikhochschule Freiburg?

Ja, seit zwei oder drei Jahren machen wir das zusammen mit dem Opernstudio der Musikhochschule. Mein persönlicher Wunsch wäre, dass man das Stipendium noch ausweitet und höhere Beträge zur Verfügung stellen kann. Ich finde, es ist eine ganz schöne Sache.

Nun steht den TheaterFreunden ein Wechsel in der Führung bevor.

Diese Absicht habe ich schon bei meiner ersten Wahl bei der Mitgliederversammlung vor sechs Jahren geäußert. Wir hatten, wenn man so will, eine Ära Dorit Keul. Sie war vierzehn Jahre lang Vorsitzende der TheaterFreunde. Und sie hat in diesen vierzehn Jahre Enormes geleistet. Ich war gerne im Vorstand mit dabei und vor sieben Jahren hat sie mich überzeugt, den Vorsitz zu übernehmen: „Wenn Du es jetzt nicht machst, müssen wir einen jüngeren suchen.“ Das hat mich dann irgendwie dazu gebracht zu sagen, ich mach das. Aber ich habe von vorneherein gesagt, wenn ich wiedergewählt werde, dann nur zwei Amtszeiten lang. In diesem Sinne habe ich mich stets als Übergangs-Kandidat gesehen und meine Hauptaufgaben darin gesehen, die Mitgliederzahl zu erhöhen und den Vorstand zu verjüngen. Wir konnten vermutlich über 700 neue Mitglieder gewinnen und die Anzahl der Mitglieder deutlich erhöhen. Auch der Vorstand ist verjüngt worden, und er wird, bei der nächsten Wahl nochmals deutlich verjüngt werden. Damit ist eine starke Mannschaft am Start, die die Theaterfreunde durch neue Impulse beleben werden.

Was kommt den bei Ihnen persönlich als nächstes?

Ich habe gerade eine eigene Stiftung gegründet und habe, wenn der Liebe Gott es will, noch zwanzig oder mehr Arbeitsjahre in meiner Firma vor mir. Mein ehrenamtliches Hauptengagement ist und bleibt das Walter-Eucken-Institut an der Universität Freiburg, für das ich mich seit über 40 Jahren einsetze. Außerdem habe ich den Förderverein der Freiburger Elisabeth-Schwestern gegründet, auch da kommt regelmäßig Arbeit auf mich zu. Ich werde wohl auch außerdem in den Kulturausschuss der Stadt aufgenommen, es wird mir garantiert nicht langweilig!

Es ist immer mal gut zu sagen, es ist jetzt Zeit, etwas in jüngere Hände zu übergeben. Und wenn alles gut geht, dann ist das - frei nach Churchill - nicht das Ende, sondern der Anfang von anderen spannenden Dingen.

Das Gespräch führte Tim Lucas.

Dr. Gerhard Kempter wurde 1956 in Freiburg geboren. Bis zum Abschluss einer Banklehre lebte er in Freiburg. Nach dem Studium und Promotion in Köln war er in Frankfurt, London und New York für die Deutsche Bank tätig. 1998 kehrte er mit seiner Frau und drei Töchtern nach Freiburg als Vorstand der Volksbank Freiburg zurück. Seit 2009 ist er selbständig als Geschäftsführer verschiedener Familiengesellschaften tätig.