Bühnenbild

PELLÉAS ET MÉLISANDE // Katharina Ruckgaber // John Carpenter // Foto: 2019 // Rainer Muranyi

Du bist von Beruf Photograph und arbeitest zum ersten Mal als Bühnen- und Kostümbildner einer Opernproduktion. Was fasziniert Dich an dieser Kunstform? Was ist Neuland für Dich?

Ich habe meine Arbeit als Photograph vor bald 30 Jahren im Theater begonnen und immer wieder Projekte im und für das Theater realisiert. Als Ausstatter ist jedoch tatsächlich vieles Neuland für mich. Ich konnte mich aber immer auf die große Erfahrung von Ingrid Erb verlassen, mit der ich die Ausstattung von PELLÉAS ET MÉLISANDE erarbeiten durfte. Und ich bin ja auch nicht Gastronom und habe doch ein Restaurant übernommen, bin nicht Winzer und bewirtschafte trotzdem einen Rebberg. Anders gesagt: Gerade unbekannte Territorien ziehen mich außerordentlich an. Und: Als Geschichtenerzähler bin ich normalerweise Solist. Hier im Theater aber Teil eines großen, erzählenden Gefüges. Ich genieße das sehr. Im Großen und Ganzen überwiegen die Gemeinsamkeiten zu meinen anderen erzählerischen Tätigkeiten: Den Raum, in dem eine Geschichte stattfindet, gilt es auch in der Fotografie zu erforschen, das Licht ist auch in der Photografie das wichtigste erzählerische Mittel.

Was begeistert Dich an Debussy und seiner Oper PELLÉAS ET MÉLISANDE? Wie ist Dein Zugang zu dieser Geschichte? Wo liegt die Substanz in diesem Musiktheaterwerk, der Kern, der Dich ganz persönlich angeht?

Das fließend Erzählende entspricht meiner Sprache als Photograph, das Rastlose, die Verletzlichkeit der Figuren, deren Unsicherheit und Verlorenheit nehmen mich gefangen. Aber auch die Poesie und Grausamkeit der nicht erfüllten Liebe. Dazu die Variationen der Gewalt innerhalb familiärer Strukturen und die Schwierigkeit, oft auch Unmöglichkeit, daraus auszubrechen.

Bühnenbild

PELLÉAS ET MÉLISANDE // Katharina Ruckgaber // John Carpenter // Foto: 2019 // Rainer Muranyi

Gibt es Verbindungslinien zwischen Deiner Profession und dem Theater, die für den Bühnenraum nutzbar gemacht werden können? Gibt es für Dich die Möglichkeit, die beiden Felder Photographie und Theater zu verbinden? Lässt Debussys Oper das thematisch zu? Fordert sie es gar heraus?

Als Photograph versuche ich wie auch im Theater mit Raum und Licht eine Geschichte zu erzählen – das sind die wohl offensichtlichen Gemeinsamkeiten der beiden Erzählformen. Die vermeintliche Eindeutigkeit der Photographie erschwert aber deren Einsatz im Theaterraum. Die Chance besteht wohl darin, diese Schärfe auszunutzen und damit falsche Fährten zu legen, um so neue Inhalte und Möglichkeiten der Interpretation zu kreieren. Das ist eine Herausforderung, die mich nicht nur in der Verbindung zwischen Photographie und Theater beschäftigt. Ich bin ein Verfechter größtmöglicher Subjektivität in der Photographie, im Sinne der Freiheit der Interpretation. Dieser Umgang mit dem Medium wird mir oft übel genommen, da überraschenderweise gerade in Zeiten einfachst anwendbarer Bearbeitung und Verfälschung von Bildern trotzdem eine größtmögliche Objektivität von den Erschaffern erwartet wird. Der Kontrast zwischen klarer Darstellung und diffuser Erzählung erzeugt jedoch unerwartete Spannungen, die mich reizen, die meine Arbeit ausmachen und die wahrscheinlich auch Debussys Oper zu einem prädestinierten Werk für den Einsatz von Photographie im Bühnenbild machen.

Schon Maeterlincks Schauspiel-Vorlage ist von Symbolen durchzogen: Ringe, Haare, Brunnen, Kronen, Türme, Mauern, Grotten, Blumen – wie geht Ihr in der szenischen Umsetzung damit um? Droht die übermächtige Symbolik zu erdrücken?

Sollte man der Versuchung nicht widerstehen können, den Symbolen eine Bühne zu geben, könnten sie wohl durchaus erdrückend wirken, oder noch schlimmer, zu einer banal wabernden Masse werden. Unsere Aufgabe bestand eher darin, allen Erklärungsversuchen dieser starken Symbolik auszuweichen, dem mit Ungefährem zu begegnen und noch mehr Unschärfe hinzuzugeben. Daher haben wir uns entschieden, ein Bühnenbild zu schaffen, das nie ganz klar ersichtlich wird, das trotz der Präzision der Fotografie und der Eindeutigkeit der Landschaft durch ständige Bewegung ungefähr bleibt und sich damit gar für jeden Zuschauer – ganz abhängig von seinem Sitzplatz – zu jeder Zeit ein anderes Bild offenbart. Andeuten anstatt zeigen, anstatt zu Erklären – das war auch in der Auswahl, oder: im Weglassen von Requisiten die Devise.

© Sylvan Müller

Pelléas und Mélisande sind zwei verschreckte Wesen, ein verlorenes Paar, in wortloser Übereinkunft miteinander verbunden – heimisch fühlen sie sich nirgendwo. Wie schafft man ein Bühnenbild für die Geschichte zweier Unbehauster?

Die Kälte ist ein immer wiederkehrendes Element in unserer Ausstattung, um dem Umstand des Unbehausten und Heimatlosen Ausdruck zu geben. Mélisande gelangt mit ihrer Flucht in ein grässliches, kaltes Umfeld, in dem Pelléas und seine ganze Familie bereits gefangen sind. Dazu nutzen wir die weite, offene Bühne, die keine Möglichkeiten bietet sich zurückzuziehen, alles offen und nackt zeigt: die geraden schroffen Kanten der Bauten, die kalten Farben, das ungenügend wärmende Kostüm für Mélisande, die dunklen Wände für die Dichte des Waldes und die Unerreichbarkeit des offenen Meeres. Und wenn dann das Meer trotzdem sichtbar wird, offenbart es sich dem Betrachter von seiner unfreundlichsten, lautesten und abweisendsten Seite. Die totale Reduktion der Bühne verlangt vom Zuschauer sich der Einsamkeit auszusetzen. Wir wollen dem Theatergast wenig Möglichkeit geben, diese Kälte nicht auch selber aushalten zu müssen.

Bild eines Schweins
Mann rennt
Frau im blutigem Mantel
(Alle Bilder von Sylvan Müller)
In einer Abhandlung über Novalis stellt Maurice Maeterlinck folgende Frage: „Wenn ein Wesen aus einer anderen Welt zu uns herabkäme und von uns die höchsten Blüten unserer Seele verlangte, was würden wir ihm geben?“ – um dann Meisterwerke der Kulturgeschichte aufzuzählen und auf ihre Bedeutung hin abzufragen: Shakespeares HAMLET, Racines PHÄDRA usw. Würdest Du dem Wesen PELLÉAS ET MÉLISANDE anbieten?

Sollten für Maeterlinck zu den höchsten Blüten unserer Seele auch derer Unerreichbarkeit, die Kälte unseres Seins, unsere regelmässige Unfähigkeit zur Empathie und trotz alledem unser Wunsch nach bedingungsloser Liebe gehören, würde ich dem Wesen aus einer anderen Welt dieses Werk ganz unbedingt ans Herzen legen wollen.

Portrait des Fotografen

Seit bald 30 Jahren arbeitet Sylvan Müller als Photograph. Nachdem er zahlreiche große Reportagen, unter anderem in Tschernobyl, Ost- wie auch Westafrika realisiert hat, gründet er mit zwei Freunden und seinem Bruder Adrian fabrik studios. Sie machen sich schnell einem Namen für ihre präzisen und doch verspielten Stillleben und arbeiten mit Studios in New York und der Schweiz für internationale Kunden. Seit einigen Jahren ist Sylvan Müller wieder solo unterwegs, weit ab der Werbefotografie und arbeitet vornehmlich an seinen vielbeachteten Langzeitprojekten wie beispielsweise dem kulinarische Reisetagebuch «Japan – Kochreisefotobuch», «Leaf to Root» oder dem «kulinarischen Erbe der Alpen» sowie an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland. Seine Bilder bestechen durch einen unaufgeregten und unendlich reduzierten Stil und sind in mehreren international ausgezeichneten Büchern zu bewundern. Neben seiner Arbeit als Fotograf und Buchautor pflegt er in Katalonien einen kleinen Rebberg, importiert dabei auf dem Heimweg Austern aus Südfrankreich, führt in Luzern ein Restaurant und arbeitet nach 30 Jahren wieder am Theater – nicht mehr als Photograph – nun als Ausstatter.

1989 - 92

Theaterfotografie für diverse Auftraggeber

1990

Reportagen in Paris, Schottland und Genf

1991

“Uniformale Privatsphäre" Arbeit zu CH91

1992

“Hölderlin“ Kurzfilm mit Stefan Haas

1996

Diverse Reportagen in Tschernobyl

1997

Diverse Reportagen in Äthiopien

1998

Diverse Reportagen in Burkina Faso

2002

“Wild West“ Langzeitprojekt USA

2007 - 09

kulinarisches Tagebuch in Japan

2007 - 09

“WT – Cusinier” Buchprojekt mit Werner Tobler

2010

Istanbul Tagebuch mit Margrit Rieben und Pedro Lenz im Auftrag des Kleintheater Luzern

2010 - 13

“mama kocht” eine kulinarische Spurensuche meiner Mütter’s Küchen, literarisches Kochbuchprojekt

2010 - 14

Kulinarisches Erbe der Alpen, Buchprojekt mit Dominik Flammer

2014

Vom Essen und Vergessen, kulinarisch/literarischer Abend im Kleintheater zum Thema Demenz

2014 - 15

"dahinter. danach." Das Ensemble des Luzerner Theaters hinter den Kulissen

2015 – 16

“Leaf to Root”, Buchprojekt mit Esther Kern und Pascal Haag

2018-2019

Bühnenbild/Ausstattung Pelléas & Mélisande, Freiburg im Breisgau

1990

“Geneve de nuit“ Gruppenausstellung Galerie Grand Passage, Genf

1990

“Paris, eine Bildgeschichte“ Einzelausstellung FotoForum, Luzern

1991

“L’OST“ Einzelausstellung und Projektionen, Kunsthalle Luzern

1991

“Ich sehe mich“ Gruppenausstellung FotoForum, Luzern

1992

“Testament des Hundes“ Einzelausstellung Kulturzentrum Boa Luzern

1996

“FCL” Galerie Timbuktu, Luzern

2007

“Timkat“ Ausstellung mit Beat Brechbühl Kunstraum Rösterei, Niederrohrdorf

2009

“Japan – ein Kochreisefotobuch” Ausstellung mit Angela Burkhardt Guallini und Buchvernissage, Galerie Vitrine, Luzern

2009

“Japan – ein Kochreisefotobuch” Einzelausstellung, DT. 01 München

2010

“Japan – ein Kochreisefotobuch” Einzelausstellung, Gemeindebibliothek Adligenswil

2010

"Istanbul – sofort!” Einzelausstellung Kleintheater Luzern

2011

“Japan” Gruppenausstellung Zuger Asienkunsttage mit Angela Burkhardt-Guallini, Charly Iten, Kei Kawai, Sonja Knapp, Renata Schalcher

2013

"das kulinarische Erbe der Alpen" Einzelausstellung, Photogarage Zürich

2014

"das kulinarische Erbe der Alpen" Einzelausstellung, Photobastei Zürich

2014

"Fotografien aus Japan" Ausstellung mit Rebecca Maeder, Galerie Claudia Geiser Zürich

2014

"das kulinarische Erbe der Alpen" Einzelausstellung, b16 Luzern

2014

EWZ Swiss Photo Award, "Die Besten" Gruppenausstellung, ewz-Unterwerk Selnau, Zürich

2014

EWZ Swiss Photo Award, "Shortlist" Gruppenausstellung, Photobastei, Zürich

2014

"unexpected" Gruppenausstellung, Photobastei Zürich

2014

"das kulinarische Erbe der Alpen" Einzelausstellung, Bsinti, Braunwald

2014

"Emmenbronx" Gruppenausstellung, Akku, Emmenbrücke

2015

„dahinter, danach“ Einzelausstellung, Galerie Vitrine Luzern

2016

"das kulinarische Erbe der Alpen" Einzelausstellung, Müsigricht, Steinen

2017

„Leaf to Root & Meat the Green“, Bryggen, Vejle, Dänemark

2018

"das kulinarische Erbe der Alpen – Helden " Einzelausstellung, Galerie Plattner & Plattner, Pontresina

2019

"das kulinarische Erbe der Alpen – Beute " Einzelausstellung, Galerie Plattner & Plattner, Pontresina

2019

„Leaf to Root & Meat the Green“, Gruppenausstellung «Internationale Foodfotografie heute» Kunsthalle Erfurt, Deutschland

2019

«von Insel zu Insel», Gruppenausstellung, fabrica de arte cubano, Havanna, Kuba

2007

“Maxx” Belfor Suisse

2009

“Werner Tobler – Cuisinier“ AT Verlag

2009

“Japan – ein Kochreisefotobuch” Brunner Verlag/AT Verlag

2010

“Andre Jaeger - Fischerzunft” AT Verlag

2010

“tibits at home” AT Verlag

2012

“das kulinarische Erbe der Alpen” AT Verlag

2013

"das kulinairsche Erbe der Alpen - das Kochbuch" AT Verlag

2013

"Schwarzenbach - das Zürcher Kochbuch" AT Verlag

2013

"mama kocht" AT Verlag

2014

"Emmenbronx"

2014

"Enzyklopädie der alpinen Delikatessen" AT Verlag

2015

“Meat the Green”, AT Verlag

2016

*Leaf to Root”, AT Verlag

2009

Luerzers Archiv 2009: “200 Best Advertising Photographers Worldwide”

2009

3 Gourmand World Cook Book Award’s für “Japan – ein Kochreisefotobuch”

2009

1 Gourmand World Cook Book Award für “Werner Tobler – Cuisinier”

2010

“Bestes Buch” Grand Prix du Livre Gastronomique vom Club Prosper Montagné für “Werner Tobler – Cuisinier”

2010

“Buch des Monats” Deutsches Institut für Koch und Lebensmittelkunst für “Andre Jaeger – Fischerzunft”

2010

Goldene Lorbeere, Literaturpreis der Tafelkultur „Historia Gastronomica Helvetica“ für „Andre Jaeger – Fischerzunft“

2011

Silbermedaille der GAD, Gastronomischen Akademie Deutschland für „Andre Jaeger – Fischerzunft“

2011

“Bestes Buch” Grand Prix du Livre Gastronomique vom Club Prosper Montagné für „Andre Jaeger – Fischerzunft“

2011

1 Gourmand World Cook Book Award für “tibits at home”

2013

"Prix Epikur" des Zentrums für Gastrosophie der Universität Salzburg für "das kulinarische Erbe der Alpen"

2013

“Bestes Buch” Grand Prix du Livre Gastronomique vom Club Prosper Montagné für "das kulinarische Erbe der Alpen"

2013

Goldmedaille der GAD, Gastronomischen Akademie Deutschland für „das kulinarische Erbe der Alpen“

2013

1 Gourmand World Cook Book Award für “mama kocht”

2013

1 Gourmand World Cook Book Award für "das kulinarische Erbe der Alpen - das Kochbuch"

2014

"Die Besten" Swiss Photo Award 2013, mit "das kulinarische Erbe der Alpen - das Kochbuch" Kategorie Editorial

2014

Goldmedaille der GAD, Gastronomischen Akademie Deutschland für „das kulinarische Erbe der Alpen - das Kochbuch“

2014

“Bestes Buch” Grand Prix du Livre Gastronomique vom Club Prosper Montagné für "Schwarzenbach - das Zürcher Kochbuch"

2015

Goldmedaille der GAD, Gastronomischen Akademie Deutschland für „Enzyklopädie der alpinen Delikatessen“

2016

"Shortlist" Swiss Photo Award 2016, mit "dahinter, danach" Kategorie Werbung

2016

Silbermedaille der GAD, Gastronomischen Akademie Deutschland für „Meat the Green“

2017

„Best in the World“ Gourmand World Cook Book Award für "Leaf to Root"

2017

Zuger Genuss-Fotopreis für „das kulinarische Erbe der Alpen“

2017

Goldmedaille der GAD, Gastronomischen Akademie Deutschland für „Leaf to Root“